Armin Kaumanns
Aachener Nachrichten, Germany
September 2019

Alles, was Alina Ibragimova auf ihrer Geige anstellt, erwächst aus einer wie unendlichen Zärtlichkeit. Zärtlichkeit für ihr Instrument, die wunderbar lichte Anselmo Bellosio; zärtliche Vertrautheit mit ihrem Partner, dem französischen Pianisten Cédric Tiberghien, mit dem zusammen sie für die Gesamteinspielung der Mozart-Sonaten 2017 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhielt; zarteste Verbundenheit mit der Musik, die gerade auf ihrem Notenpult steht. Wir erleben hier also einen zarten, einen zärtlichen Brahms beim Hören dieser CD, die die drei Sonaten versammelt und als Draufgabe ein Andante von Clara Schumann—zum Geburtstrag und weil sie Brahms zeitlebens so innig verbunden war. Es ist ein Fest, ein Rausch voll musikalischer Einfälle, delikat und hoch emotional. Wie sie die G-Dur-Sonate beginnt, wie sie aus dem Nichts die thematischen Bruchstücke über die Klavierakkorde haucht, wo Kollegen schon vor Bedeutsamkeit die Bläh-Register auspacken, das spannt einen riesigen Bogen zu den wenig später sich auftürmenden emotionalen Ausbrüchen. Und bleibt doch geerdet in einem Romantik-Verständnis, das sich nach innen, ins Unsagbare richtet. Selbst in der dramatischen D-Moll-Sonate. Dabei hat der Hörer unentwegt das Gefühl, die beiden Musiker erzählten Geschichten, Geschichten vom Verschmelzen und Sich-Trennen, von Glückseligkeit und Leidenschaft, von Schmerz, vielleicht von Tod. Alina Ibragimova entdeckt die Brahms’sche Poesie neu, ihr gelingt ein Blick ins Herz des Titanen.

Aachener Nachrichten, Germany