Julia Spinola
Süddeutsche Zeitung, Germany
Februar 2018

Als Duo gefunden haben sich auch zwei Pianisten mit völlig unterschiedlichen Temperamenten. Marc-André Hamelin ist als Hypervirtuose berühmt, dem nichts zu schwer ist. Den zehn Jahre jüngeren Leif Ove Andsnes kennt man eher als Lyriker des Klaviers. Gemeinsam haben sie ihr im Konzert erprobtes Strawinsky-Programm eingespielt, das vom 1913 uraufgeführten Le Sacre du Printemps über das Konzert für zwei Klaviere bis zum Tango und zur Zirkus Polka der vierziger Jahre reicht. Mit ihrer leichtfüßigen und voller Witz steckenden Interpretation des selten gespielten Konzerts für zwei Klaviere beweisen Hamelin und Andsnes auf befreiende Weise, was es für ein Missverständnis ist, Strawinsky ernsthaft in die Schublade des Neoklassizisten stecken zu wollen. Die vermeintliche Wiedererrichtung klassizistischer Formschemata sprengt der freiheitliche Esprit des Stückes in beinahe jedem Takt. Strawinskys 'Sacre' erklingt in Strawinskys früher vierhändiger Fassung, jedoch auf zwei Flügeln. Hochkontrolliert und technisch brillant gespielt, erlaubt sie einen Blick auf die strukturelle Essenz der monströsen Partitur. Zugleich wird alles andere als eine trockene Studie daraus. Die Pianisten treiben den Klang ihrer Flügel in gestochener, federnder Rhythmik mit meist gläsern klarem Anschlag zu farbexplosiven Höhepunkten. Die atavistisch stampfenden Brutalismen der 'Danse Sacrale' am Ende des Stücks klingen in dieser kristallinen Klarheit härter und nackter als in jeder Orchestereinspielung.

Süddeutsche Zeitung, Germany