Liszt ist fast sicher, dass seine frühesten Umschreibungen vor seinen ernsthaften Ambitionen zum Komponisten entstanden und vorrangig geschaffen wurden, um ein virtuoses Repertoire zu erstellen, das das Publikum begeistern sollte, während andere, wie zum Beispiel das berühmte
Réminiscences de Don Juan—hier in der Aufnahme zu hören—die aufrichtigste Freude an den Vorbildern und Bewunderung für sie widerspiegeln. Man könnte sagen, dass diejenigen, die das ziemlich häufig vorkommende Etikett „Réminiscences …“ tragen, die grösste strukurelle Freiheit und Subjektivität aufweisen—eine Tatsache, die ihren Ursprung in der Nebeneinanderstellung oder sogar in der simultanen Verwendung der Motive aus dem viel breiteren Rahmen einer gesamten Oper hat. Die Fähigkeit Liszts, ihre noch dichtere Entwicklung in bezug auf seine eigene atmosphärische Beständigkeit und den strukturellen Zusammenhang zu rechtfertigen, wie auch die Fähigkeit, ihre eigene innere Dramatik ohne das „Requisit“ des Opern-Schauspiels und der Erzählung zu erzeugen, wird daher zum sine qua non. Das Ausmass einer solchen Leistung ist nirgendwo grösser als in
Réminiscences de Don Juan—abgeleitet von Mozarts
Don Juan und den zahlreichen Verdi Paraphrasen. Hier könnte man argumentieren, dass die Urstücke durch unüberlegte Behandlung am meisten zu verlieren hätten. Im Fall der Mozart Überarbeitung, die hier auf der CD zu hören ist, erreicht Liszts phantasievolle Antwort auf ein schon unsterbliches Vorbild einer Oper ihren Zenit. Es lohnt sich zu anzumerken, dass die eigentliche Mozart Musik sicher nicht das ist, was das Melodrama des Lebens und Verbrechens Don Giovannis bietet: reichlich Stoff für die offenkundig schauspielerische Seite eines Liszt. Die Präzision, Eleganz und der eigentliche Inhalt der Tradition des Klassischen hätten so einfach geplündert werden können, auch bei einer treuen Antwort auf die ungezägelten chaotischen Geschehnisse, die die Genialität Mozarts widersinnigerweise darstellen liess. Jedoch leistet Liszt das scheinbar Unmögliche, indem er eine grenzenlose pianistische Inspiration mit unfehlbarem Feingefühl und Sympathie zusammenbindet. Was das Klavier gemäss eigenen Bedingungen noch steigert, ist also im Kern nichts mehr und nichts weniger als das, was Mozart angeregt hat—sogar bei Don Giovannis schändlichem Untergang, wo Liszts Genialität respektvoll an der Seite der des ersten Komponisten und nicht schamlos vor ihr steht.
Das Werk Réminiscences de Don Juan grenzt an die Takt für Takt Umsetzungen, sowohl aus den schon erwähnten Gründen, als auch, weil die Umsetzung einer so blendenden orchestralen tour de force—wie die Symphonie Fantastique von Berlioz—nicht weniger pianistische Zauberei von Liszt verlangte als die Paraphrasen.
aus dem Begleittext von Francis Pott © 1997
Deutsch: Elaine Brown Translations