Dr Matthias Lange
Klassik.com, Germany
Juni 2007
PERFORMANCE
RECORDING

Nach einem Bonmot des Schriftstellers Jean Cocteau seien die Klavierwerke von Maurice Ravel (1875-1937) „Musik ohne Soße“—reduziert auf das Wesentliche, aber durchaus nicht ohne Substanz. Und diese ja durchaus ambivalente Einschätzung weist in eine richtige Richtung: Ravels Klaviersatz ist von leichter, niemals schwülstiger Poesie durchweht, bleibt immer klar, reduziert und reich zugleich. Den Sätzen merkt man die lange konzeptionelle Arbeit und Vorbereitungszeit des Komponisten an—sie sind gezügelt leidenschaftlich, manchmal durchsichtig bis zu kristalliner Härte und doch auf eine dezidierte Weise emotional, oft indirekt, wie das bloße Zitat einer wirklichen Emotion.

Das alles vollzieht sich technisch brillant und ambitioniert im glänzenden Spiel der verschiedenen Klangfarben. Lange Glissandi bestimmen das Klangbild ebenso wie die häufige Verwendung der silbrigen Höhenregister. Bei aller klanglichen Leichtigkeit stellen die frei konzipierten Werke hohe spieltechnische Anforderungen—der Interpret muss das in vielen Sätzen mitgedachte und anklingende Orchester, das manchem der Stücke nach Bearbeitung durch Ravel selbst zu späterem Ruhm verhalf, mitempfinden.

In dem frühen Jeux d’eau, dem dreiteiligen Gaspard de la nuit, der Sérénade grotesque, dem sechsteiligen Zyklus Miroirs und der abschließenden La valse stellt der 1968 geborene portugiesische Pianist Artur Pizarro sich als intimer Kenner der französischen Klavier-Schule vor. Er verfügt über eine sehr feine Technik, bewältigt die erheblichen Herausforderungen mit guter Geläufigkeit und schafft es, Ravels kompositorische Ideen ohne Schatten umzusetzen. In herrlich leichten Läufen, perlenden Tonketten präsentiert er seinen zarten Zugriff und legt die delikate Faktur der Musik offen. Trotz aufblitzender Brillanz hat Pizarro genug Geduld, um auch verhaltene Sätze intensiv zu gestalten. Dazu verhilft ihm auch ein sehr kontrollierter Anschlag, der feinste dynamische Differenzierungen erlaubt.

Insgesamt präsentiert Arturo Pizarro einen vielversprechenden ersten Teil des Klavierwerks Maurice Ravels: Als intensiver Interpret findet er zur notwendigen Mischung aus Eleganz, Brillanz, Kraft und Zurückhaltung, mischt genug Zweifel und ironisch gebrochene Leichtigkeit in „seinen“ Ravel—man wird den Fortgang des Projekts mit Interesse verfolgen können.

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