Die London Oratory Schola Cantorum besteht aus Knaben- und Männerstimmen, und geht an diese Musik aus einer liturgischen Perspektive heran. Das ist eine der Stärken dieser Produktion: die Sänger kennen die Musik nicht nur vom Stil her, aber auch vom Inhalt und von ihrer liturgischen Bedeutung her. Dieser Chor mag etwas weniger bekannt sein, vor allem ausserhalb des Vereinigten Königreichs, als die Chöre aus Cambridge und Westminster, aber er ist qualitativ diesen keineswegs unterlegen. Diese Aspekte sorgen dafür, dass diese CD zeigt, dass Palestrinas Musik alles andere als langweilig ist. Es ist hilfreich, dass der Dirigent Charles Cole im Textheft auf subtile Textdeutungen hinweist. Das sind keine Madrigalismen, aber sie sind durchaus effektiv.
Palestrina wird hier auch in seinen historischen Kontext gestellt, indem es auch Motetten von Kollegen, Schülern und Enkelschülern gibt. Darunter sind mehrere, die heutzutage kaum bekannt sind. Das macht diese Produktion umso wertvoller.
Von historischer Aufführungspraxis kann hier nicht die Rede sein. Diese betrifft Sachen wie die Zahl der Sänger, das Verhältnis der verschiedenen Stimmgruppen und die Stimmung. Von einem Chor wie diesem, der wahrscheinlich auch viel spätere Musik singt, darf das wohl kaum erwartet werden. Das soll die Bedeutung dieser Produktion keineswegs schmälern. Sie ist ein wichtiger und erfreulicher Beitrag zum Palestrina-Gedenkjahr.