Hans Ackermann
RBB Kultur Radio, Germany
June 2017

Spuren von andalusischem Flamenco, barocker Allemande, nordamerikanischer Folklore und venezolanischem Walzer finden sich—zeitgenössisch gewendet—im Konzert für Gitarre und Orchester des 1954 in Boston geborenen amerikanischen Komponisten Robert Beaser.

Perkussiv, farbig, filigran—die Klangpalette der klassischen Gitarre ist vielfältig und keineswegs nur auf das Klischee der „leisen Töne“ beschränkt. Als wenn Robert Beaser genau das beweisen wollte, hat er den ersten Satz seines Konzerts mit „Chains and Hammers“ überschrieben.

Tatsächlich rasselt der Solist Eliot Fisk in den ersten Minuten des Konzerts kräftig mit Ketten aus kleinen Terzen, die in vielen Variationen den verminderten Akkord ergeben—Sinnbild einer schwebenden Tonalität jenseits von Dur und Moll, für die sich in den USA seit den 1970er Jahren der Begriff der „New Tonality“ etabliert hat.

Die „Hammerschläge“ steuert in diesem Satz das Orchester bei, namentlich der Paukist—eine Hommage an das Instrument, das Robert Beaser einst als junger Musiker im Boston Youth Symphony Orchestra gespielt hat.

Obgleich kein Gitarrist, verfügt Robert Beaser über exzellente Kenntnisse des Instruments und seiner Spieltechnik, ist er doch seit vielen Jahren mit einem der renommiertesten klassischen Gitarristen gut befreundet: Eliot Fisk, der als letzter Schüler des großen Andres Segovia gilt. Fisk und Beaser haben sich beim Studium an der Elite-Universität von Yale kennengelernt und sich seitdem nie wieder aus den Augen verloren—Fisk wurde für Beaser in etwa das, was einst der Geiger Joseph Joachim für Johannes Brahms war: Inspirationsquelle, künstlerisches Gegenüber, kongenialer Interpret—und guter Freund.

Seit den 1970er Jahren hat Robert Beaser so immer wieder Gitarrenmusik für Eliot Fisk komponiert, 2010 das jetzt eingespielte Konzert und schon 1980 das zweite große Werk dieses Albums, Notes on a southern sky. In dieser zeitgenössischen Hommage an den venezolanischen Komponisten Antonio Lauro (1917-1986) ist dessen Valse venezolano No. 3 im harmonischen und rhythmischen Untergrund deutlich herauszuhören.

Das höchst anspruchsvolle, in modernen kontrapunktischen Strukturen fortschreitende Solostück, ist bei Eliot Fisk buchstäblich in den allerbesten Händen. Sein gitarristisches Können hat der ebenfalls 1954 in Philadelphia geborene Musiker eine Zeit lang als Professor für Gitarre in Köln, danach in gleicher Funktion in Salzburg an Studierende weitergegeben. Robert Beaser ist Professor an der New Yorker Julliard School, leitet dort die Abteilung Komposition.

In Europa ist Robert Beasers Bekanntheitsgrad, verglichen mit Komponisten wie John Adams, Steve Reich oder Philip Glass vergleichsweise gering, obwohl in den USA renommierte Orchester wie das New York Philharmonic oder das Boston Symphony regelmäßig Werke bei ihm in Auftrag geben.

José Serebrier, erfahrener Dirigent zeitgenössischer Musik, führt auf dieser CD das Royal Scottish National Orchestra souverän durch Robert Beasers neotonale Klangwelten und nennt dessen Gitarrenkonzert ein „bahnbrechendes Meisterwerk“, dass nach Ansicht von Eliot Fisk die Gitarrenmusik „50 Jahre in die Zukunft“ katapultieren würde—Begeisterung, der man sich ohne Einschränkungen anschließen möchte.

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