Hans-Dieter Grünefeld
Piano News, Germany
Mai 2016
PERFORMANCE
RECORDING

Die Konfrontation der beiden so gegenzätzlichen Charaktere der klassischen Moderne—Leoš Janáček, der unbequem Vertikale, und Alexander Skrjabin, der behagliche Horizontale—begründet Stephen Hough damit, dass aus Alternationen ihrer Werke ein wunderbares Patchwork entsteht Demgemäß gestaltet er die Sonate Nr. 5 des nach spiritueller Erleuchtung strebenden Skrjabin wie die Vibrationen eines Schamanen, der durch dznamische Kontraste und Abstufungen in einem Wechselbad der Empfindungen den ultimativen Kick erwartet. Dagegen erscheint der melancholische Zyklus Auf verwachsenem Pfade von Janáček wie der inere Monolog eines Seelenforschers, der in Selbszweifel und Trauer resigniert. Ähnlich auch die Sonate Nr. 1 auf den Tod eines national gesinnten techechischen Schreiners, indem Stephen Hough die Betrubnis aus motivischen Zellen herausquellen lässt. Der Kontrast zum sich konzentrierenden Energiestrom des Poems Vers la flamme von Skrjabin könnte nicht drasticher sein, erst recht das Prestissimo volando der Sonate Nr. 4, wenn das Thema quasi mit Lichtgeschwindigkeit zu gestiger Helligkeit fliegt. Trotz der genannten stilistischen Unterschiede reduziert Stephen Hough die Komponisten aber nicht simpel zu Antipoden einer vielstimmigen Epoche, sondern es gelingt ihm durch bis in Details aufmerksames Repertoireverständnis, deren exzentrische musikalische Intensität als Gemeinsamkeit zu reflektieren.

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