Midou Grossmann
Klassik.com, Germany
April 2010
PERFORMANCE
RECORDING

Sir Charles Mackerras, Jahrgang 1925, ist sicherlich einer der großen Dirigenten seiner Generation; Medienrummel und Effekthascherei sind seine Sache nie. Ich habe ihn schon als Chef des Sydney Symphony Orchestra (1982-1985) live im berühmten Opernhaus erlebt, und sein tiefsinniges, dabei gänzlich unprätentiöses Musizieren war schon damals beeindruckend. In einer langen Laufbahn hat er mit fast allen großen Orchester musiziert, doch mit dem Scottish Chamber Orchester verbindet ihn eine außergewöhnlich enge musikalische Freundschaft. So ist auch mit der vorliegenden Beethoven-Doppel-CD wieder eine bemerkenswerte Einspielung gelungen, die die Großartigkeit dieser Werke mit einer verblüffenden Leichtigkeit und einer großen Virtuosität belegt.

Beethovens erste Entwürfe für das Klavierkonzert Nr. 3 datieren aus dem Jahr 1796, beendet wurde die Komposition dann erst im Jahr 1803. Diese Komposition lässt noch den Einfluss Mozarts erkennen, wenngleich Beethoven hier schon die Weichen für seine letzten beiden Klavierkonzerte stellt, mit denen er gänzlich neue Wege geht. Mackerras hat es nicht eilig, es scheint ihm wichtiger, Klangstrukturen aufzudecken und sie frei schwingend im Raum zu entwickeln. So ergibt sich immer ein wunderbarer Dialog zwischen Orchester und Klavier. Dem Pianisten Artur Pizzaro liegt dieser Musizieransatz ebenfalls, und so bringt er sich mit viel Gefühl in dieses fast transzendente Musizieren ein, das schon mit dem langen Kopfsatz des Dritten Klavierkonzerts sehr eindrucksvoll beginnt. Ein schwebendes Musizieren prägt den kurzen zweiten Satz, im dritten Satz steigert sich diese träumerische Grundstimmung dann in eine gloriose Zwiesprache zwischen Verzagtheit und befreiender Überwindung. Eine Thematik, die im Vierten Klavierkonzert wieder aufgenommen wird. Sicherlich war Beethoven ein Wanderer zwischen den Welten und spricht über seine Empfindungen in seiner Musik.

Beethovens Viertes Klavierkonzert entstand von 1805-1806, öffentlich aufgeführt wurde es erst am 22. Dezember 1808. Wieder gibt es einen langen, überraschend lyrisch gestimmten Kopfsatz. Der Auftakt wird hier vom Klavier gestaltet, und es führt quasi das Orchester durch den gesamten ersten Satz, flirrend zart und dennoch ausdrucksstark in der Klangsprache. Ein zarter, lichtvoller Tanz voller Lyrik entwickelt sich, der in dem kurzen 'Andante' in eine Art Streit mit grobstofflichen Elementen gipfelt. Das 'Rondo vivace' stellt dann den Sieg des Lichts in den Vordergrund. War in den ersten beiden Sätzen nur ein Dialog zwischen Klavier und Streichern zu hören, so agieren hier nun auch Trompeten und Pauken. Der Tanz im ersten Satz wirkte manchmal noch etwas elegisch, hier nun befreit er sich von jeglicher Schwere. Mit solch hochkarätigen Interpreten kann das Fünfte Klavierkonzert dann nur gelingen.

Mackerras' „Klaviertrilogie“ behauptet sich durchaus ebenbürtig neben anderen legendären Einspielungen. Frei und luftig transparent klingt der Klangkörper, gleichzeitig auch schlank und filigran. Artur Pizarros Spiel integriert sich immer homogen mit dem Orchesterpart, kein Zaudern oder Abwarten kennzeichnet sein Spiel. Losgelöst von der Erdenschwere früherer Deutungsmuster manifestiert sich hier ein sanfter Beethoven, dennoch voller Farben, Licht und Kraft. Die Aufnahme steht für eine musikdramaturgisch sehr stimmige Interpretation, in die es sich einzutauchen lohnt.

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