Dr Matthias Lange
Klassik.com, Germany
August 2010
PERFORMANCE
RECORDING

Georg Friedrich Händels kreative Produktivität und Leistungsfähigkeit sind bestens bekannt. Etliche Meisterwerke entstanden innerhalb kürzester Zeit, so auch die zwölf Concerti grossi, zusammengefasst in Opus 6: Händel schrieb diese Konzerte innerhalb weniger Wochen im September und Oktober 1739, die Veröffentlichung folgte unmittelbar darauf, ihre Aufführung fand im Winter 1739/40 statt. Mit dieser ebenso kompakten wie künstlerisch gewichtigen Sammlung schließt Händel an eigene Arbeiten an, verliert aber auch Arcangelo Corellis gattungsprägende Werke nicht aus dem Blick. Die oft knappen Sätze sind ausgesprochen charaktervoll. Ihnen ist jener typisch sprühende Geist zueigen, der Händels Musik seit den frühen italienischen Kantaten bestimmte. In seinen formal an die viersätzige Sonata da chiesa angelehnten Concerti—die Mehrzahl der zwölf Werke hat allerdings fünf oder sechs Sätze—demonstriert Händel jenes für die Gattung prägende Wechselspiel von solistischem Concertino und größer besetztem Ripieno. Dabei durchmisst er eine große Bandbreite von strukturellen Elementen, melodischen Ideen und harmonischen Lösungen. Doch bei aller satztechnischen Vielfalt ist gerade für dieses Opus eine enorme künstlerische Geschlossenheit prägend. Insgesamt zeigt sich in Händels Opus sechs der reife, hoch inspirierte, dabei aber souverän disponierende Stilist im Vollbesitz seiner kompositorischen Kräfte.

Das nordenglische Avison Ensemble nähert sich diesen Concerti mit einem leichten, federnden, konzentrierten Ensembleklang, der gleichwohl voll, aber eben immer gut belüftet wirkt. Die vierzehn Instrumentalisten beweisen Stilbewusstsein, Klangsinn und ein sicheres Gespür für die kompositorischen Strukturen. Die von Händel angelegten Grundaffekte werden nicht in Extreme getrieben—vielmehr steht ein nobles Musizieren mit einer auch artikulatorisch dezidierten Ensemblekultur im Mittelpunkt der Auffassung. Insgesamt betonen der künstlerische Leiter und erste Geiger Pavlo Beznosiuk und seine Mitstreiter weniger die tatsächlich orchestrale als vielmehr die kammermusikalische Dimension der Kompositionen, darin auf das enge Band verweisend, das die Form des Concerto grosso mit der Triosonate verbindet.

Der Klang der bei Linn erschienenen Einspielung ist warm und ohne jede Härte plastisch. Strukturen sind gut durchhörbar, volle Register werden gelungen abgebildet. Für fast alle Aspekte wurden einfach sehr passende Lösungen gefunden. Concertino und Ripieno intonieren makellos, artikulatorische Mittel werden bewusst eingesetzt. Die Temporelationen der oft nicht sehr ausgedehnten Sätze lassen schöne Konturen und klar erkennbare Charaktere entstehen. Dynamisch wird vor allem die Konstellation des Wechsels fruchtbar gemacht. Wenn auch vielleicht in dem einen oder anderen Allegro eine Spur mehr Biss und Attacke vorstellbar gewesen wären, ist es doch eine Interpretation aus einem Guss: Dosierte Expressivität und klangliche Noblesse basieren auf dem kultivierten und sensiblen Spiel des Avison Ensembles.

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