Christiane Bayer
Klassik.com, Germany
Dezember 2006
PERFORMANCE
RECORDING

In den letzten Jahren sind Antonio Vivaldis Vokalkompositionen immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Nachdem er hauptsächlich für seine vielen hundert Konzerte gerühmt wurde, fangen nun auch immer mehr Sänger an, sich für seine Kompositionen zu interessieren. Berühmtestes Beispiel ist hierfür sicherlich Cecilia Bartoli, die mit ihrem bahnbrechenden Album 1999 für eine Sensation sorgte, präsentierte sie doch bisher nie gehörte Arien des Venezianers. Seitdem erscheinen regelmäßig Neueinspielungen seiner Vokalwerke, die sich sowohl mit seinen sakralen als auch weltlichen Kompositionen beschäftigen.

Das englische Ensemble La Serenissima hat sich seit vielen Jahren der Vivaldipflege verschrieben und bringt nun zusammen mit der Sopranistin Mhairi Lawson ein Kantatenalbum auf den Markt. Im Zentrum der Einspielung steht ein Kantatenzyklus bestehend aus drei Werken, die alle für den Hof von Mantua entstanden. Die Stücke erzählen die Geschichte der Liebe zwischen Elvira und ihrem Fileno, der sich sehr schwer tut, ihr seine Liebe zu gestehen. Mhairi Lawson erzählt wunderbar mit ihrem flirrend leichten Sopran wie er in der ersten Kantate vor seelischer Erregung zittert, da er nicht wagt Elvira anzusprechen. Um so erlöster trumpft sie im abschließenden Satz ‘Quello che senti, oh bella’ auf, der die glückliche Vereinigung der Liebenden beschreibt.

In der zweiten Kantate steigert sich Lawson eindrucksvoll in Filenos Trauer, die ihn befällt als er Abschied von Elvira nehmen muss. Ihre Stimme scheint zerrissen vor Trennungsschmerz und bebt vor Seufzern, was die hoffnungslose Lage Filenos sehr plastisch darstellt. Überhaupt nutzt Lawson die Rezitative zu dramatischen Darstellungen, die sich mehr an der gesprochenen Sprache orientieren, als an brillantem bel canto Gesang. So wirkt ihre Darbietung sehr realistisch und wird auch all jenen Hörer das Geschehen verdeutlichen, die nicht mit dem Italienischen vertraut sind. Die Bedeutung erschließt sich einem einfach aus Lawsons bildlicher Interpretation. Aber nicht nur die Rezitative wirken wunderbar plastisch, sie trägt auch die Arien herrlich seelenvoll vor. Dabei kommt ihr ihr extrem flexibler Sopran zu Gute, mit dem sie unterschiedliche Ausdrucksnuancen scheinbar spielerisch herausarbeitet. Ihr Stimme überstrahlt alles. Dem sie einfühlsam begleitenden Ensemble bleibt da nur sich im Hintergrund dezent zu profilieren.

Auch wenn Leiter Adrian Chandler sich immer wieder als ausgezeichneter Duettpartner beweist, so verblasst doch sein Spiel ein wenig gegen Lawsons unbestreitbare Dominanz. Dafür bleiben Chandler drei Violinsonaten, in denen er sein Können ohne lästige Konkurrenz zeigt. Die Stücke bilden kleine musikalische Intermezzi, welche die Geschichte um Elvira und Fileno immer wieder unterbrechen. Zwei der Sonaten stammen aus dem Diozösenarchiv in Graz und wurden bisher auf Grund fehlender Stimmen selten bis nie aufgeführt. Chandler hat sich deshalb um die Rekonstruktion des fehlenden Materials bemüht. Mit der opulent großen Begleitung von Cembalo, Cello und Theorbe strahlen die Kompositionen eine prächtige Feierlichkeit aus, die sehr einnehmend ist.

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